Hi Freaks, look at me. Ich schreibe Sätze in den Wind.

Tocotronic über Privilegien, Heteronormativität, Kritik, Selbstkritik. Über dich. Und mich:

Ich war widerstrebend, doch es blieb an mir kleben, als hätte es einer an mir festgemacht. Ich bin ein weißer, heterosexueller Mann. Das Glück hat mich verfolgt, im Keller wartet schon die Version, die mich dann ersetzt, wenn man sie wachsen lässt. Ich glaube, ich kann’s erst jetzt versteh’n, wir müssen durch den Spiegel geh’n. Harmonie ist eine Strategie. Alles ist zum Speih’n. Die Ausbeutung des Menschen erreicht eine neue Qualität. Drei Schritte nur vom Abgrund entfernt.

Ich weiß nicht, warum ich euch so hasse! Ich bin nur einer von euch. Ihr habt mir viel zu oft, auf die Schultern geklopft. Befreit mich von der Barbarei, ersetzt den Fetisch Fantasie.

Fuck it all, wie soll es weitergeh’n? Sage es mir, ist es wahr, was man sich erzählt? Das sind keine Rätsel, das ist offensichtlich. Eins zu eins ist jetzt vorbei.

Ich werde mich erfinden. Am Ende bin ich nur ich selbst. Jeden Morgen, jede Nacht. Mein Ruin, das ist zu letzt, etwas was gewachsen ist.
Ein Zusammenbruch, ein Fall. Bitte füll mich auf, ich habe keine Eigenschaften. Ich werde neue Kleider brauchen.

Das hier ist kein Wörterbuch. Das ist nur ein Protokoll. Niemand wird beschuldigt, keine Meinung wird gesagt. Wer schlechtes denkt, der schweigt. Ich muss reden, auch wenn ich schweigen muss.

(Zitatcollage aus verschiedenen Tocotronicsongs der letzten 20 Jahre.)

Liebe Tocotronic, danke für das schöne Album. Bis nachher, euer Henning.

> Hey hey, jetzt bin ich alt!

Tocotronic macht Musik, die mitwächst. Und mit altert. Oder reift. Dirks Haar ist schon grauer als meins. Aber das passt schon.

Ich bin ein wenig zu musikungebildet, um mich über wiederholende Akkordabfolgen zu beschweren. So langsam bin ich auch distiktionskritisch genug, um popkulturelle Referenzen in den Texten zu schmähen oder Wortwitze zu verurteilen. Mir gefällt „Wie wir leben wollen“ auf Anhieb. Das war bei den letzten Tocotronicalben ein wenig anders. Vielleicht, weil die Erwartungshaltung sich geändert hat? Oder hängt’s am Älterwerden?

Die Berliner Triologie ist abgeschlossen. Das neue Album ist stilistisch aber noch sehr nahe daran. Oder bilde ich mir das ein?

Egal. Mein erstes Tocotronickonzert sah ich 1999 zur K.O.O.K.-Vorstellung im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg. Im Sitzen. Das hat mich irritiert und ich stand auf und tanzte. In einer Stunde sitze ich im Thalia und höre mir Tocotronic an. Vielleicht bleibe ich sitzen. Ich bin müde. Aber freue mich.

Viele Grüße aus der S-Bahn. Mit Sitzplatz.

My little Tocos… Auf Twitter.

Tocotronic twittert. Über den Newsletter und ihre Webseite ließ die Band verlauten:

die Vögel verstummen, der Wind steht still, die Dachse schnuppern schon und die Schläfer in der stillen Erde hören auf zu schlummern:
Es passiert was! Doch wir lassen Euch nicht alleine. Bitte folgt
@99_Thesen auf Twitter.
Seltsam, aber so steht es geschrieben.

Und wahrscheinlich hängt es ein ganz kleines bisschen damit zusammen, dass seit 1999 keine Band mehr Platz in meinem Herz/Musikgeschmack gefunden hat, wie Tocotronic (und damit, dass ich Twitter gerne nutze): aber ich habe mir ewig gewünscht, auch Tocotronic dort zu finden.

Nun. Ganz so ist es nicht. Meine These: Auf @99_Thesen werden wohl in den nächsten Tagen noch 98 Tweets kommen. Einer pro Tag. Und dann ist der 25. Januar 2013 und wir können endlich das neue Album „Wie wir leben wollen“ kaufen. Keine Replies, keine Zurückgefollowe, keine Interaktion. Schade. Der Release ist für meinen Geschmack viiiiiiel zu spät. Und auf die Thesen bin ich zwar gespannt, ob sie die Wartezeit so arg verkürzen weiß ich auch nicht. Und wir bleiben Empfänger_innen. Vielleicht bin ich hinsichtlich der Frage, wie Twitter genutzt werden sollte auch ein bisschen zu strukturkonservativ. Eine interessante Marketingidee bleiben die 99 Thesen in jedem Fall, auch wenn sie allein stehend noch nicht mal mehr besonders hübsch zum retweeten sind. Aber wir sollten den Inhalten selbst eine Chance geben.

Pinkie Pie springt vor FreudeDiese erste These macht mir doch ein ganz winzig kleines bisschen Hoffnung, dass irgendwann in ferner aber nicht ungreifbarer Zukunft ein anderer Tocotronic-related Wunsch von mir in Erfüllung gehen könnte:

Aber das wäre wahrscheinlich dann doch zu schön.