Was ich zur Geburt unserer dritten Tochter – und aller weiteren ;) – nicht noch mal hören muss…

Heute vor einem Monat wurde unsere dritte Tochter geboren. Ich bin wieder in Elternzeit (auch wenn es eher Elternzeit mit den beiden größeren ist) und glücklich. Viele Glückwünsche und liebe Worte haben uns erreicht. Aber auch Phrasen, die ich zum Teil schon nach der letzten Geburt gehört habe, die wahrscheinlich auch meist „nicht böse gemeint“ waren, auf die ich zu oft keine schlagfertige Antwort hatte… Und: die ich definitiv nicht wieder hören muss:

  • „Ist das nicht schwer für dich so allein als Mann mit vier Frauen?“
  • „Oh wie praktisch. Dann müsst ihr ja nicht die komplette Kleidung neu kaufen!“
  • „Na, Mädchen sind aber auch pflegeleichter.“
  • „Bist du nicht traurig, dass das dritte nicht endlich mal ein Junge geworden ist?“
  • „Ein Junge muss aber schon noch sein.“
  • „Schon wieder ein Mädchen? Naja, hauptsache gesund.“

(Alles so gehört oder gelesen.)

Role Up — eine großartige Initiative, die auf euren kleinen Beitrag wartet

Ein Kind kann alles werden, wenn es erst eins sein kann: Kind.

Diese kalenderspruchförmige Weisheit ist mir in den letzten Wochen in diversen Abwandlungen öfter über den Weg gelaufen. Das klingt schön und gut und als pädagogisches Ziel ist da auch ein Klacks Wahrheit dran. Aber unter den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen ist das leider auch eins: Bullshit.

Viel ist leider durch die Herkunft des Kindes (sozial, ökonomisch, ethnisch…) extrem vorgegeben. Und auch wenn dies alles nicht „in Stein gemeißelt“ ist, haben die Verhältnisse, in denen ein Kind aufwächst doch riesige Auswirkungen auf die Entwicklungschancen und -möglichkeiten von Kindern.

Unsere eigenen Kinder haben das Glück in einem mehrfachprivilegierten Haushalt aufzuwachsen. Und trotzdem ist deutlich sichtbar, wie gesellschaftliche Verhältnisse und Diskurse wirken, etwa, wenn die älteste aus dem Kindergarten kommend den sich feministisch verstehenden Eltern erklärt, dies und das sei eine „Mädchenfarbe“ oder ein „Männerberuf“.

Um so wichtiger, sind Initiativen, die versuchen, andere Vorbilder zu zeigen. Genau in diese Richtung zielt die neue Projektidee von Susanne Harnisch. „roleUP!“ soll eine Portraitserie über weibliche Vorbilder sein:

das Ziel der Serie ist es, (jungen) Frauen den Pool an möglichen Vorbildern, den sie zur Verfügung haben, zu erweitern. Damit er nicht nur auf Personen aus Verwandtschaft, Schule und Freizeitverein beschränkt ist, sondern auch Menschen beinhaltet, auf die sie vielleicht nie oder erst sehr spät treffen würden. [… Die Zielgruppe] sind alle Menschen, die sich inspirieren lassen wollen, aber vor allem junge Frauen und Mädchen, die ihren Weg noch suchen.

Derzeit sucht das Projekt noch Unterstützer_innen, die „Fan“ der Crowdfundinginitiative auf Nordstarter werden. Ab 50 Fans kann dann mit der Finanzierungskampagne begonnen werde.

Gerade die männlichen* Leser bitte ich sehr, dieses Projekt zu unterstützen. Warum das? Weil die Unterstützung solcher Initiativen das geringste ist, was ihr/wir tun können. Nicht als pro-feministischer Ablassbrief oder alleiniger Slacktivism, sondern als ein Baustein. Passend dazu empfehle ich dazu als Lektüre den
Text „What Can Men Do“ von Shanley auf Medium über die Notwendigkeit, dass Männer* mit anderen Männern gemeinsam gegen das Patriarchat handeln müssen.

Der am schnellsten umsetzbare Schritt dabei:

Give your money to people who know what the fuck they are doing.

Also:
Worauf wartet ihr noch?

roleUP lvl up your role models!

Hi Freaks, look at me. Ich schreibe Sätze in den Wind.

Tocotronic über Privilegien, Heteronormativität, Kritik, Selbstkritik. Über dich. Und mich:

Ich war widerstrebend, doch es blieb an mir kleben, als hätte es einer an mir festgemacht. Ich bin ein weißer, heterosexueller Mann. Das Glück hat mich verfolgt, im Keller wartet schon die Version, die mich dann ersetzt, wenn man sie wachsen lässt. Ich glaube, ich kann’s erst jetzt versteh’n, wir müssen durch den Spiegel geh’n. Harmonie ist eine Strategie. Alles ist zum Speih’n. Die Ausbeutung des Menschen erreicht eine neue Qualität. Drei Schritte nur vom Abgrund entfernt.

Ich weiß nicht, warum ich euch so hasse! Ich bin nur einer von euch. Ihr habt mir viel zu oft, auf die Schultern geklopft. Befreit mich von der Barbarei, ersetzt den Fetisch Fantasie.

Fuck it all, wie soll es weitergeh’n? Sage es mir, ist es wahr, was man sich erzählt? Das sind keine Rätsel, das ist offensichtlich. Eins zu eins ist jetzt vorbei.

Ich werde mich erfinden. Am Ende bin ich nur ich selbst. Jeden Morgen, jede Nacht. Mein Ruin, das ist zu letzt, etwas was gewachsen ist.
Ein Zusammenbruch, ein Fall. Bitte füll mich auf, ich habe keine Eigenschaften. Ich werde neue Kleider brauchen.

Das hier ist kein Wörterbuch. Das ist nur ein Protokoll. Niemand wird beschuldigt, keine Meinung wird gesagt. Wer schlechtes denkt, der schweigt. Ich muss reden, auch wenn ich schweigen muss.

(Zitatcollage aus verschiedenen Tocotronicsongs der letzten 20 Jahre.)

Sexistisch smart sein? m(

Mittlerweile wird jeder Rotz in einer binären Logik geschlechtsspezifisch vermarktet. Vom Taschentuch bis zum Werkzeugkoffer. Und in einer zwangszweigeschlechtlichen Welt liegt es auch nahe, dass besonders geschlechtlich aufgeladenen Gebrauchsgegenstände, wie der Rasierer dazu gehören, auch wenn er für alle, die ihn benutzen auf die selbe Art und Weise funktioniert. Wer wundert sich schon noch darüber, dass „Männerrasierer“ in kalten, metallischen Farben und martialischen Aufmachungen verkauft werden und „Frauenrasierer“ in weichen Formen und Pasteltönen direkt daneben hängen? Obwohl es ein und dasselbe Ding ist.

Meine Hand wanderte aber mit einem lauten Klatsch, gegen meine Stirn, als ich den Blog des Nassrasiererabodienstes „Morning Glory“ sah. Die Geschäftsidee ist durchaus nett: einen Ge- und Verbrauchsgegenstand (Nassrasierer und Klingen) im Abo anbieten und günstiger verkaufen als vergleichbare Klingen im Laden kosten. „Sei smart.“ ist der Unternehmensclaim und meint damit: Geld sparen und nicht zur Drogerie laufen müssen. Und das hat sich erstmal so verlockend angehört, dass ich fast schon so ein Abo abgeschlossen hätte. Bis ich ein wenig durch das Blog von Morning Glory scrollte und u.a. dies sah:

Warum Zeit verschwenden zwischen Wurzelgemüse und Windelpaketen? Supermärkte sind ein Albtraum! Kreischende Kinder, Pärchen, die sich über die Cornflake-Sorte streiten und dann noch Rasierklingen, die abgeschlossen in einer lächerlichen Glasvitrine stehen – neben den Tampons natürlich. Hor-ror.

In der Zeit könnte man doch so gut hochalkoholische, aber harmlos aussehende Schirmchen-Drinks an gut gebaute Barbesucherinnen ausgeben und geduldig die Wirkung abwarten! Das ganze natürlich mit aalglatter Gesichtshaut, weil Rasierklingen geliefert bekommen

Abgesehen davon, dass ich die „kreischenden Kinder“ im Zweifelsfall selbst dabei habe (Väter sind offenbar auch keine Zielgruppe für Rasierer, obwohl manchmal Kinder den Rasierwunsch verstärken), geht dieses Geschlechterbild ja wirklich überhaupt nicht klar. Wer Lust auf „Bier aufmachen, Öl wechseln oder, eh, arbeiten“ hat, mag sich angesprochen fühlen. Ich nicht.

Ehrlich fand ich die Antwort auf meinen Tweet, die die Kackscheiße des eigenen Marketings weder abstritt noch verharmloste (was ich erwartet hätte), sondern nahe legte, ich solle doch einfach den Sexismus ignorieren und trotzdem kaufen:

Nein, danke. Smart sein geht anders. Auch wenn ich dabei drauf zahle und zur Drogerie latschen muss und – OMG – dort Kinder treffe und Tampons sehen muss.

Podiumsdiskussionen als Männerrunden. Ohne mich.

Podiumsdiskussionen kenne ich von drei Seiten: als Publikumsteilnehmer in verschiedensten Settings. Als Teilnehmer im Panel oder aber auch als (Mit)Organisator in beruflichen oder politischen Kontexten. Und was mir auch bisher schon immer unangenehm auffiel: wenn solche „Expertenrunden“ reine Männerrunden sind.

Aprica hat in einem Blogpost über die Selbstverpflichtung des Soziologieprofessors Shaul Kelner geschrieben, an keinen Podien oder Konferenzen teilzunehmen, zu denen nur Männer als Redner_innen eingeladen worden sind:

What message does an all-male panel send about who is valued, who is worth listening to, who has something important to contribute to a conversation?

Dass ich als Veranstalter die aktive Möglichkeit habe, darauf hinzuarbeiten, dass nicht nur Männer auf dem Podium sitzen (oder die Workshops in Seminaren leiten…) ist relativ offensichtlich. Aber auch als eingeladene Person lässt sich zumindest versuchen, auf eine gemischtgeschlechtliche Verteilung hinzuwirken:

Das Prinzip ist denkbar einfach: Immer, wenn Shaul Kelner für eine Panelteilnahme angefragt wird, fragt er die Veranstalter, wer sonst eingeladen wurde. Sollte keine Frau unter den Namen sein, erklärt er sein Versprechen:
„You couldn’t find any women to teach? Look, I’d love to join the program, but I’ve made a pledge not to participate in all-male panels. And anyway, do you really want to send the message that there are no qualified women?“

Dieser Selbstverpflichtung schließe ich mich an. Ich habe in den vergangenen Jahren öfter auf Podien gesessen und Vorträge auf Konferenzen gehalten. (Meist zu Themen rund um die Themen politische Bildung, Medien, Internetkrams, Medienpädagogik, Netzpolitik) Und wenn es nicht ganz kleine Veranstaltungen waren, bei denen ich der einzige Vortragende war, sind auch in fast allen Fällen gemischte Podien, bzw. Referent_innenzusammensetzungen gewählt worden. Aber ich kann mich nur an wenige Fälle erinnern, in denen ich gezielt nachgefragt hatte, wer die anderen Redner_innen sind. Das werde ich ändern. Und im Zweifelsfall gebe ich auch sehr gerne Empfehlungen für alternative Referentinnen. Auch wenn ich gerne zu Veranstaltungen eingeladen werde: ich bin ersetzbar.